Die Tiermedizin wird immer leistungsfähiger, und die meisten Tierhalter sind bereit, sich Gesundheit und Wohlbefinden ihrer vierbeinigen Lieblinge einiges kosten zu lassen. Fast schon paradiesische Zustände für Hund und Katz? Ganz im Gegenteil, sagt das "Forum Kritische Tiermedizin". Initiator Dirk Schrader, Tierarzt in Hamburg: "Erkrankungen der Haut, des Magen-Darm-Traktes, der Gelenke und der Knochen haben in den vergangenen Jahren sogar erheblich zugenommen."
Seine These: Bello und Mieze essen sich krank. Und das nicht etwa deshalb, weil sie nach landläufigen Grundsätzen "falsch" - mit Süßigkeiten, stark gewürzten Essensresten oder Ähnlichem - ernährt würden. "Vieles spricht dafür, dass die Zunahme der Erkrankungen bei Hunden und Katzen in einem direkten Zusammenhang mit den meisten auf dem Markt erhältlichen Fertigfuttermitteln stehen", so Schrader. "Diese These ist im übrigen nicht neu. Der Pathologe Dr. Dämmrich hat es schon vor mehr als 20 Jahren niedergeschrieben: Mit der Steigerung des Umsatzes der Futtermittelindustrie steigt die Rate der Erkrankungen bei Hunden und Katzen."
Schädlich seien vor allem die im herkömmlichen Fertigfutter enthaltenen chemischen Substanzen. "Sie machen zwar das Produkt haltbar, können aber beim Tier zu Erkrankungen bis hin zu Siechtum und Tod führen." Fast ebenso gefährlich: "Vitamine in völlig unsinnigen, schon gesundheitsschädlichen Mengen. Der in der Fertigfutterwerbung übliche Slogan ‚alles drin' mag schon stimmen, aber ‚alles drin, was nicht hineingehört' stimmt leider auch."
Ernährungsfehler machen krank
Beispielsweise sei die "unkritische Überdosierung von Kalk oder Vitamin D" - zu der es umso mehr dann kommt, wenn zusätzlich zum Fertigfutter noch Vitamin- und Mineralstoffmischungen verabreicht werden - vor allem bei großen Hunden für die Skelettentwicklung fatal. Ernährungsfehler seien für eine Reihe von Knochenerkrankungen verantwortlich, unter anderem für die gefürchtete Hüftgelenksdysplasie. Noch kritischer stuft Schrader die Ernährungssituation unserer Stubentiger ein. Katzen können nämlich, anders als Hunde, bestimmte lebenswichtige Vitamine, Aminosäuren und Fettsäuren nicht selbst bilden und sind daher noch mehr darauf angewiesen, dass ihnen diese in der richtigen Menge mit der Nahrung zugeführt werden. Und sie brauchen, entsprechend ihrer natürlichen "Rohkost-Ernährung", einen besonders hohen Anteil an tierischem Eiweiß. Als Beispiele für Erkrankungen bei Katzen, die durch unausgewogene Ernährung bedingt sein können, nennt Schrader Diabetes, Leberstörungen oder Harnwegs- und Nierenerkrankungen.
Aber auch für das so häufige Übergewicht älterer Katzen sei unausgewogenes Fertigfutter mitverantwortlich: "Es deckt zwar den Kalorienbedarf, nicht aber den Bedarf an hochwertigen tierischen Bestandteilen, etwa Enzy-men und natürlichen Vitaminen. Also entsteht ein Mangel, den die Katze mit einer gesteigerten Futteraufnahme auszugleichen versucht." Die Folge: zu viele "leere" Kalorien, die im Körper in Fett umgesetzt und gespeichert werden. "Man muss sich nur vorstellen, wir würden uns selbst ausschließlich von Kornflakes oder Schokolade ernähren. Unser Körper würde uns auch sagen, dass etwas fehlt, und die Auswirkungen wären dieselben." Die Schlussfolgerung des "Forum Kritische Tiermedizin": "Wir brauchen dringend ein Lebensmittelgesetz für Tiernahrung!" Denn ohne gesetzliche Regelung seien nur die wenigsten Hersteller bereit, auch nur zu versuchen, eine optimale Kost für Hund und Katz zu produzieren. "Das wäre zu teuer", so Schrader. "Statt dessen wird lieber viel Geld in Verkaufsstrategien und Werbung investiert." Auch am eigenen Berufsstand übt das Forum Kritik: "Viele Tierärzte erhalten keine spezielle Ausbildung in Tier-ernährung, und wenn doch, dann ist sie oft auf Prinzipien und Studien der Futterhersteller aufgebaut. Die meisten haben gar nicht die Zeit, sich in diesem Bereich Wissen anzueignen. Daher ist es für sie am einfachsten, Fertigfutter zu empfehlen, zumal sie es häufig selbst verkaufen und Geld damit verdienen." Dazu komme ein grundsätzliches Problem: "Wie meistens in der Humanmedizin auch, liegt auch in der Tiermedizin der Tätigkeitsschwerpunkt in der Behandlung von Krankheiten. Die Prophylaxe kommt zu kurz und beschränkt sich vorwiegend auf die jährlichen Impfungen." Immerhin setze langsam ein Umdenken ein, so Schrader: "In letzter Zeit steigt die Zahl der Tierärzte, die sich intensiv mit dem Thema Ernährung beschäftigen und ausgewogene Kost empfehlen." Was können die Tierhalter selbst tun? Eigenhändig das Futter zubereiten, was allerdings zeitaufwendig ist und fundierte Kenntnisse erfordert, um das Tier mit allen erforderlichen Nährstoffen zu versorgen. Oder auf Fertignahrung jener wenigen Hersteller zurückgreifen, die ihre Produkte bereits jetzt - ohne dass es eine gesetzliche Verpflichtung dazu gibt - so weit wie möglich der natürlichen Nahrungszusammensetzung von Hund und Katz anpassen. Und die vor allem auf chemische Substanzen im Futter - wie synthetische Vitamine, Farbstoffe, Antioxydantien, Geschmacks- und Geruchsstoffe oder Konservierungsmittel - verzichten und dafür auch die Produkthaftung übernehmen. Schrader: "Wir haben beschlossen, eine Positiv-Liste für Hunde- und Katzenfutterhersteller zu erstellen. Darin werden jene Produkte aufgenommen, die diese Voraussetzungen erfüllen. Oder, anders ausgedrückt: Fertigfutter, das Tierärztempfehlen könn, ohne rot zu werden." Ch. K.
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