Buchempfehlung:
Katzen würden Mäuse kaufen
Schwarzbuch Tierfutter
von: Hans-Ulrich Grimm
(auch für >Fleischessende< Nichttierhalter sehr interessant zu lesen!)
Produkt-Beschreibung zu: Katzen würden Mäuse kaufen
Zufrieden schnurrt ein hübscher Kater mit glänzendem Fell, nachdem er sein Fressen bekommen hat - glaubt man der Werbung, so ist für unsere Haustiere das Beste gerade gut genug. Doch die Realität sieht anders aus. Wussten Sie, dass aus Erdgas ein bizarrer Fleischersatz hergestellt wird? Für Menschen verboten, für Tiere erlaubt...
Mit Aromen, Geschmacksverstärkern, Konservierungs- und Farbstoffen und dem ganzen Arsenal der Kunstnahrungshexenküche wird ein leckeres Menü für Waldi und Minka zubereitet. Und die Zukunft hat schon begonnen: Mit Biotechnologie und High-Tech landen Bakterien und Pilze im Fressnapf unserer Lieblinge. Die Tiere leiden. Hunde und Katzen bekommen Diabetes, Herzkrankheiten und Krebs, Schweine haben Darmprobleme, und unter Rindern breiten sich gefährliche Bakterien aus, die auch den Menschen befallen können. Sie sind nicht nur im Fleisch, sondern bereits im Trinkwasser zu finden.
Leseprobe:
Es ist ein schönes Land, das Land, aus dem Whiskas kommt. Es gibt dort Bäche und Wiesen und Bäume und ganz kleine Häuschen. Alles aber wird weit überragt von einem Turm. Es ist kein Kirchturm, sondern eher ein Fabrikturm, auf ihm sind, ganz oben, eine Katze abgebildet und ein Hund, und es steht Whiskas darauf und Pedigree. Sie sind sehr tierfreundlich hier, es gibt sogar eine kleine Pension für Hunde und Katzen, mit strahlend weißen Wänden, einem leuchtend roten Dach und einem Zaun drumherum. Schon von weitem ist zu sehen, wie die Tiere fröhlich herumtollen. Das sind die »Testesser« der Firma.
Man ist auch zu Menschen sehr gastfreundlich hier. Besucher sind willkommen, sie dürfen durch eine gläserne Tür gehen, werden an einer Rezeption freundlich begrüßt. Im Empfangsraum prangt auch ein großes Plakat mit Whiskas-Werbung, daneben ein Poster, das stolz darauf hinweist, dass sie die Sendung »Hundkatzemaus« im Fernsehen sponsern. In einer Vitrine sind all die tollen Produkte der Firma aufgestellt: Whiskas, Kitekat, Trill, Pedigree. Eigentlich alles, was Rang und Namen hat in der Welt von Bello und Mieze und Hansi. Auch das berühmte Chappi kommt von hier, deswegen nennen sie die Firma hier im Ort immer noch die »Chappi-Fabrik«. Die Firma heißt Masterfoods, sie ist rund um den Globus ganz groß im Geschäft. Die Tierliebe der Leute ist ein gutes Geschäft. Das Tierfutter-Business blüht, der Trend geht zu immer luxuriöseren Produkten.
Große Firmen wie Nestlé Purina und Royal Canin rangeln um die Führungspositionen. Mit immer neuen Kreationen sollen Herrchen und Frauchen verführt werden. Das Geld sitzt bei ihnen offenbar locker. Besonders erfolgreich ist das »Hochpreissegment«, sagt eine Branchenkennerin. Die Devise laute: »Luxus pur«. Für die Tiere ist nichts zu teuer. Vom Tier lebt eine ganze Branche, und sie lebt gut. Spezialgeschäfte breiten sich aus, Hundehotels kümmern sich um die vierbeinigen Lieblinge, Psychologen pflegen ihre zarten Seelen (siehe Kapitel 5). Das Tier ist für viele Menschen zum Partner geworden, sie behandeln es wie einen Freund - oder gar wie einen Lebensgefährten (siehe Kapitel 2). Sie wollen, dass es dem Tier gut geht. Sie geben für einen Sack Trockenfutter gern mehr aus als für ein Kilo Rinderbraten.
Es ist auch ein Geschäft mit dem Vertrauen. Wer sein Tier liebt und viel Geld ausgibt, will natürlich auch wissen, ob alles wahr ist, was die Werbung verspricht: Dass in Dosen und Säcke nur das Allerbeste kommt. Dass es nichts Gesünderes, dass es überhaupt nichts Besseres gibt für Bello und Mieze als Chappi und Whiskas. Die Zentrale von Masterfoods liegt in Amerika, das deutsche Hauptquartier hier in Verden an der Aller, der Kleinstadt mit 28 000 Einwohnern, 43 Kilometer südöstlich von Bremen. Barbara Grewe will mal sehen, wie das Futter für ihre Lieblinge produziert wird. Ihre Katzen Kitty und Felix bekommen Whiskas praktisch von Geburt an, und es ist ihnen gut bekommen. Wahre Wonneproppen seien sie geworden.
»Was will man mehr«, sagt Frau Grewe. Sie ist aus Twistringen angereist, einer 13 000-Einwohner-Gemeinde siebzig Kilometer westlich von hier. Für die Besucher ist Herr Meier zuständig. Friedrich Meier. Er wirkt schon mal sehr vertrauenerweckend. Weißer Kittel. Weißer Helm. Er ist Sicherheitsingenieur. Auch die Besucher müssen sich weiße Kittel überziehen und einen Helm aufsetzen. Wegen der Hygiene und der Sicherheit. Herr Meier führt durch den Betrieb. Erst durch das Büro, es ist ein Großraumbüro, in dem auch die Chefs sitzen und jederzeit ansprechbar sind. Das ist so ein amerikanisches Prinzip. Masterfoods ist ja eine amerikanische Firma. Dann geht es durch eine Tür hinaus aufs eigentliche Werksgelände. Bei einer Anlieferungsrampe hält Herr Meier inne. Hier rollen die Lastwagen an mit ihren riesigen Anhängern. Heute ist offenbar Fleisch angekommen. »Badenhop Fleisch« steht auf den Trailern. Das sei ein Händler aus der Nähe, sagt Herr Meier.
Laut Eigenwerbung ist Badenhop ein Zulieferer für die Heimtierindustrie mit »internationalen Verbindungen«. Dann geht es in die eigentliche Fabrik, mit Fließbändern, Abfüllanlagen, Packstationen. Dosen sausen. Dampf zischt. Fließbänder rollen. Fleisch kommt aus Düsen, rötlich, cremig, oder fällt aus durchsichtigen Röhren, wie die Kugeln bei der Ziehung der Lottozahlen, in Dosen und Schalen. Ein Spritzer mit »Sauce« oben drauf. Mal farbig, mal durchsichtig. Es sind die Abfüllanlagen für Whiskas, Cesar, Sheba. Es herrscht ein ziemlicher Lärm. Die Leute in ihren Overalls müssen Gehörschutz tragen. Es riecht auch nicht sehr angenehm. Überall weisen Schilder auf die Geschäftsziele hin, erinnern an die Hygienebestimmungen und weisen auf Bakterien hin, die jederzeit
eindringen können. Ein Poster beispielsweise warnt vor »Clostridium botulinum«. Das ist eine Horror-Bazille, die ein Nervengift produziert, ein sogenanntes »Neurotoxin«, das schlimmste Bakteriengift, das die Menschheit kennt. Es kommt vor allem in Dosen und Büchsen vor, weil es sich unter Luftabschluss so gut vermehrt. Wenn so etwas in einer Fabrik auftaucht, ist das der Super-GAU, das größte anzunehmende Unglück. Für eine Firma kann das ziemlich teuer werden. Daher gilt: Dem Keim keine Chance. Dafür sorgen riesige Tanks, in denen sterilisiert wird. Bei exakt 127,8 Grad Celsius. Die Hundenahrung soll absolut clean sein. Wobei es dem Hund seinerseits gar nicht so wichtig ist, dass die Sachen keimfrei und hygienisch sind. Der Hund seinerseits mag es ganz gern ein bisschen eklig. Der Hund, meint Herr Meier, hätte es am liebsten gar nicht gekocht. Der würde sein Fleisch am liebsten verbuddeln und nach einem halben Jahr wieder rausholen. So etwas geht natürlich nicht. Klar, dass der Hund mit so etwas keine Chance hat. Der »Aasfresser«, sagt Herr Meier, der sonst sehr freundlich und aufmerksam ist, fast ein bisschen verächtlich. Auf so einen Hund kann so eine Firma natürlich keine Rücksicht nehmen. Schließlich kaufen nicht die Hunde das Futter, sondern die Menschen. Und die wollen für ihren Liebling nun mal lieber Gourmet-Häppchen mit Reis und Garnelen als Gammelfleisch aus dem Garten. Zwei große Behälter stehen dekorativ erum. Der eine ist gefüllt mit kleinen orangefarbenen Stückchen: Karotten, ein, zwei Zentner. Die sind irgendwo in einer gemüseverarbeitenden Fabrik ausgesondert worden, waren nicht fein genug für die Menschen.
Der andere Container enthält hellrosa glänzende Stückchen. Lunge, erklärt Herr Meier. Am Behälter hängt ein Schild: »Category 3 Animal By Products. Nicht für den menschlichen Verzehr geeignet«.
Abfälle aus der Lebensmittelproduktion, ganz offenkundig. Halt! Das Wort Abfall, das hören sie hier gar nicht gern. »Reden Sie nicht über Abfall«, sagt Herr Meier. »Das tut uns weh.« Die Tierfutterbranche achtet sehr sorgsam darauf, dass die Produkte für unsere Haustiere, die im Fernsehen teuer beworben werden, nicht mit Müll in Zusammenhang gebracht werden. Millionen werden für Reklame ausgegeben, damit die Leute bereitwillig in die Tasche greifen fürs wertvolle Tierfutter. Und wenn sie wüssten, dass Müll in der Dose ist, dann würde womöglich die Kaufbereitschaft rapide schwinden.
Dabei ist es eigentlich nicht weiter schlimm, wenn die Tiere das bekommen, was die Menschen nicht mehr wollen. Schon seit jeher hat der Mensch die Tiere mit dem gefüttert, was übrig geblieben ist.
Hund und Katz bekamen die Reste vom Mittagstisch, und auch das Schwein fraß das, was übrig blieb.
Mittlerweile ist die Tierfutterbranche vorsichtig geworden. Es hat einige Nahrungsmittelskandale gegeben. Die Rinderseuche BSE, beispielsweise.
© Zsolnay Verlag
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